Elvis 1Hz
Elvis Studio : Helge Reumann & Xavier Robel

Elvis Studio : Helge Reumann & Xavier Robel - Elvis 1Hz

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Interview mit
Elvis Studio : Helge Reumann & Xavier Robel

Elvis Studio gibt es seit 1996. Wie hat eure Zusammenarbeitnbegonnen ?

  Helge – Ich war Teil verschiedener Ateliers in Genf, in denen, beeinflusst vom französischen Magazin Fluide Glacial, Comics gemacht wurden. Anschliessend habe ich mit Pressezeichnern zusammen gearbeitet, darunter auch Patrick Chappatte. Mit der Zeit fand ich diese Arbeit sehr repetitiv : Sobald das Schaffen sich zu sehr einer Art Entertainment annähert, ziehe ich es vor, die Perspektive zu wechseln. Ich musste für eine Zusammenarbeit also andere geeignete Personen finden, die über einen breiteren Zeichenbegriff und eine Vision für das Medium Zeichnung verfügten. Dies umso mehr, als in den 90er-Jahren eine Aufbruchstimmung in der europäischen, nordamerikanischen und japanischen Comicszene herrschte. So sind Xavier und ich uns begegnet.

  Xavier – Zu dieser Zeit arbeitete ich bei einem Photolithographen. Die Freundschaft mit Helge entstand durch unser gemeinsames Interesse an extremen und schrägen Ausdrucksformen, sei es nun im Comic, in der Zeichnung oder in der Musik. Mit meiner Grafik konnte ich sowohl meinen Lebensunterhalt verdienen als auch meine persönlichen Interessen verfolgen. Unsere erste Zusammenarbeit begann 1998 mit einer fast vollständig von Hand gestalteten Serie von Programmheften und Plakaten für die Usine, einen alternativen Musikclub in Genf. Aus dieser Zeit stammt auch unsere erste „vierhändige“ Zeichnung „Elvis City“. Und da sie uns so gut gefiel, haben wir gleich mit „Elvis Road“ * weitergemacht. Gleichzeitig haben wir schrittweise unsere Illustrationsaufträge aufgegeben.

  – Ihr seid bekannt für eure monströsen Wimmelbilder. Was sind die Unterschiede zwischen einer solchen Arbeit und einem Comic ?

 H – Die Arbeit an einer Zeichnung ist viel freier und es gibt deutlich weniger Zwänge und Einschränkungen als beim Ausführen eines Comics. Im Comic findet man sich oft damit konfrontiert, Dinge zeichnen zu müssen, auf die man eigentlich keine Lust hat, nur damit die Geschichte klar bleibt. Oder man muss Dinge zeichnen, die man nicht zeichnen kann ; wir sind zum Beispiel keine Virtuosenim Zeichnen von galoppierenden Pferden in Dreiviertelperspektive. Bei den grossen Zeichnungen ist es interessant, an einer Art Plattform sich wandelnder Ideen mitzuwirken.

 X – Je komplexer eine Zeichnung wird, desto mehr verliert man die Kontrolle über ihren narrativen Inhalt. Die Möglichkeiten der Kollisionen oder Assoziationen werden zu zahlreich. Schliesslich entgleitet der Inhalt unserem Einfluss. An diesem Prozessn interessieren mich das Transformationspotenzial und die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten. Die beste Idee kann völlig bedeutungslos werden, und die schlimmste Zeichnung auf unerwartete Weise auferstehen. Es ist ein unvergleichliches Gefühl, aufzustehen und zu entdecken, dass deine Armee über Nacht das Geschlecht gewechselt hat. Ein Bonus ist zudem, dass für uns das erneute Lesen einer Zeichnung immer wieder Neues und Überraschendes birgt. Es ist vielleicht so, als würde man das holografische Gedächtnis unserer beider Hirne auf einem Blatt ausgebreitet betrachten.

  – Wie kommuniziert ihr während des Arbeitsprozesses?

  H – Ich glaube, manchmal kommunizieren wir zu viel, und dann wieder gar nicht, aus Angst, zu viel zu reden und sich dann bewusst zu werden, dass wir in unserer jeweligen eigenen Arbeit überhaupt nicht voran gekommen sind. Das Schlimmste ist eine Diskussion, die sich festfährt, die wir aber nicht abzubrechen vermögen.

 X – Ich denke, dass unsere Art gemeinsamen Zeichnens Kommunikation automatisch impliziert, sei sie nun verbal, telepathisch, oder wie auch immer…

  – Ihr sagt, eure Arbeit sei stark von euren Kindheitserinnerungen, vom Spiel geprägt. Gleichzeitig gibt es brutale und politische Motive. Was ist in eurer Arbeit Witz, was ist Ernst ?

 X – Ich frage mich nicht ständig, was Ernst oder Witz sein soll. Wir inszenieren potenziell ernsthafte Situationen, was ziemlich belustigend sein kann. Es ist mir aber auch schon passiert, aus extrem ernsten Gründen grafischer Kohärenz mit einer Schablone
450 Nippel zeichnen zu müssen.

  – Ihr arbeitet sowohl gemeinsam als auch individuell. Was bedeutet die geteilte Autorenschaft für euch als Künstlerpersönlichkeiten ?

 H – Wir haben sicher ausgeprägte Egos, aber es gelingt uns, sie zu zähmen. Tun wir dies nicht, können wir uns von unserer Zusammenarbeit verabschieden. Die Tatsache, dass jeder von uns eine persönliche Arbeit verfolgt, ermöglicht uns, nicht völlig geisteskrank zu werden durch eine Art erzwungener Demokratie in unserer gemeinsamen Arbeit. Das Kreative an sich hat etwas grundsätzlich Individualistisches.

 X – Für mich ist es interessant, festzustellen, dass das Gefühl der Urheberschaft ständig durch neue Interventionen in der Zeichnung getrübt wird. Der Sinn eines Teils oder mehrerer Teile der Zeichnung kann sich während ihrer Realisation ändern. Man kann sich gleichzeitig ein bisschen die Individualität des Anderen aneignen, während man seine eigene etwas verliert.