KURZ UND GUT | |
von Christian Meyer |
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Was für eine grandiose Idee: Jason erzählt von den Literaten im Paris des frühen 20. Jahrhunderts – von Scott Fitzgerald, James Joyce, Ezra Pound und „Hemingway“ – so der Titel der Geschichte. Nur: Alle sind graphische Literaten – sie machen Comics! Und damit sind sie zugleich Hungerleider, denn mit Comics – das weiß jeder – kann man kein Geld verdienen. Also planen sie einen Raubzug, und das Unglück nimmt seinen Lauf. Ein meisterliches Werk mit raffinierter Erzähltechnik. Jason: „Hemingway“.
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In „Markttag“ erzählt James Sturm von einem osteuropäischen Teppichknüpfer, der eines Tages erkennen muss, dass ihn die Industrialisierung überholt hat. An einem beschwerlichen Markttag sucht er vergebens Käufer. Sturm, der bereits mehrmals historische Szenarien entwickelt hat, lässt hier in erdigen Ligne-Claire-Zeichnungen eindrucksvoll das Handwerkswesen des frühen 20. Jahrhunderts und dessen aussichtslosen Kampf gegen den aufkommenden Kapitalismus auferstehen. James Sturm: „Markttag“.
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«Markttag» | ||
Frédéric Bertocchini und Jef widmen sich mit „Jim Morrison – Poet des Chaos“ in schweren, düsteren Zeichnungen dem Leben des charismatischen Sängers der Doors. Um Entmystifizierung scheren sie sich nicht, vielmehr gehen sie genau diesen Pfad: Morrison, der todgeweihte, von Genie und Wahnsinn gerittene Einzelgänger, lautet das wenig überraschende Ergebnis ihres skizzenhaften Biopics. Bertocchini & Jef: „Jim Morrison – Poet des Chaos“.
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Seit über 30 Jahren löst Sokals Entendetektiv „Canardo“ seine dubiosen Fälle mehr schlecht als recht. Mit Kippe, Pulle und Trenchcoat gerät er an die übelsten Gesellen. Gestartet wurde die Reihe mit einigen Kurzgeschichten, die bereits als Sammelalbum erschienen sind, nun aber in colorierter Form im Hardcoverband „Eine schöne Flasche“ neu aufgelegt wurden. Von den drastischen Animal-Farm-Anfängen ist es nicht weit bis zur Entstehung einer morbiden Noir-Welt voller verwahrloster Halunken in Tiergestalt. Die düstere Colorierung ist sehr gelungen, nur schade, dass das Albumformat nicht eingehalten wurde. Sokal: „Canardo Spezial – Eine schöne Flasche“.
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In „Coney Island Baby“ erzählt Nine Antico von zwei Sexsymbolen: Bettie Page und Linda Lovelace. Sie stellt den unschuldigen 1950ern die abgebrühten 1970er-Jahre gegenüber. Wo die Pin-up-Legende Bettie Page noch durch ihren natürlichen, aber diskreten Umgang mit der Erotik aufzufallen weiß, lässt sich Pornoqueen Linda Lovelace zwei Jahrzehnte später schroff ins Rampenlicht zerren und zum Spielball widersprüchlicher Medienkampagnen machen. Mitunter etwas sprunghaft erzählt, weiß Antico dennoch ihr Thema vielschichtig zu umkreisen. Nine Antico: „Coney Island Baby“.
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Mit „Der König der Fliegen“ positioniert sich das französische Duo Mezzo und Pirus zwischen Daniel Clowes, Charles Burnes und den Hernandez Bros. Ihr Sujet ist die Tristesse der Vorstadt, ihr zugleich düsterer und farbiger Stil macht aus dem Teenagerdasein einen Teufelsritt, unterfüttert mit Drogen und wildem Sex. Wirklichkeit und Wahn verschwimmen in diesem meisterlichen Alptraum. Die ersten beiden Bände der Trilogie – „Hallorave“ und „Der Ursprung der Welt“ – sind bereits erschienen. Mezzo & Pirus: „Der König der Fliegen“.
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„Trommelfels“ von Marijpol ist ein verstörendes Werk: Ein altes Archäologenpaar wird an eine harmlose Ausgrabungsstätte versetzt. Doch was sie dort finden, weckt ihren ermüdeten Forschergeist. Die mit Tusche nachgezogenen Bleistiftzeichnungen wirken ebenso destabilisierend wie die hier aufeinanderprallenden Lebenswelten. Ein mystisches Werk voller Fantastik. Nicht weniger Magie verströmt die Bilderwelt der Hamburgerin Moki. Mit „Wandering Ghost“ erzählt sie wortlos von fantastischen Tiergestalten in surrealen Landschaften und entfaltet auf dieser entrückten Ebene eine zarte Gefühlspalette. Dem Band liegt ein Bonusheftchen bei. Marijpol: „Trommelfels“.
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Für „Die Tote im Pelzmantel“ taten sich zum zweiten Mal die bekannte Krimiautorin Fred Vargas und der Comic-Zeichner Edmond Baudoin zusammen und erzählen einen philosophischen Krimi, in dem es kaum um den Fall geht, dafür um so mehr um Lebenseinstellungen. Vargas erzählt lakonisch, Baudoin zeichnet mit grobem Strich eine düstere Welt – aber nicht ohne Hoffnungsschimmer am Horizont. Vargas & Baudoin: „Die Tote im Pelzmantel“.
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Lewis Trondheim widmet sich mit „Fennek“ der Abteilung Tierfabel. Illustriert von Yoann, begleiten wir den jungen Wüstenfuchs bei seinen Abenteuern. Das niedliche Tierchen entpuppt sich alsbald als ziemlich linkischer Kerl, der stets um seinen Vorteil bemüht ist. Eine unterhaltsame Geschichte à la Disney, die allerdings deren Moralvorstellungen rabiat auf den Kopf stellt. Trondheim & Yoann: „Fennek“.
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Nicolas Juncker hat sich an Alexandre Dumas‘ Roman „Die drei Musketiere“ gewagt. Leicht trottelig kommt der Jungspund D‘Artagnan nach Paris und will Musketier werden. Gleich am ersten Tag halst er sich drei Duelle auf, die er aber nicht nur lebend übersteht, sondern dank derer er seine zukünftigen Freunde Aramis, Porthos und Athos kennen lernt. Junckers Comic-Version erzählt auf über 250 Seiten komisch und erdig von den Abenteuern des jungen D‘Artagnan und seinen Freunden. Juncker & Dumas: „Die drei Musketiere“.
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