Kommt man in ein Dorf im Punjab, wird meistens auf Floskeln
wie How are you? verzichtet, eher wird man mit « Hast du
dein Roti schon gegessen? » begrüsst, denn ein Punjabi fühlt sich
schlicht nicht lebendig, wenn er nicht ein, zwei Fladenbrote
seinem Verdauungstrakt zugeführt hat. Was mich betrifft, so
beantworte ich die Frage oft mit einem bestimmten Ja, obwohl
ich vielleicht zuvor nur Tee und Biskuits zu mir genommen
habe, weil ich sonst nicht darum herum käme, im Haus des
Fragestellers bis zum Abwinken Roti zu essen.
Punjab, auch Fünfstromland genannt (persisch pandsch = fünf,
ab = Wasser), erstreckt sich – ungeachtet der modernen Grenzen von Pakistan und Indien – von den Ausläufern des Himalayas
bis zu den Ufern des Indus. Die Bewohner sind äusserst fähige Bauern, die traditionellerweise Weizen, Hirse und Gemüse
anbauen und Vieh züchten. Trotz aller Unbill ihrer Geschichte schafften es die Punjabis, ihren Ruf als mutige, schwerarbeitende und grossherzige Menschen zu bewahren.
Typisches Punjaber Roti besteht
aus einem runden Weizenbrotfladen,
der auf einem Backblech oder im tönernen Ofen gebacken wird.
Es bildet die Basis jeder Mahlzeit,
sei sie frugal oder luxuriös; nicht einmal Reis, das Grundnahrungsmittel Indiens, kann da mithalten.
Es überraschte mich nicht zu
hören, dass Weizen in der Sprache des Punjab kanak heisst, womit
auch Gold bezeichnet wird. Auf einer kulinarischen Weltkarte
würde Punjab mitten auf der
Grenze zwischen den auf Weizen basierenden Kulturen Europas
und Westasiens und den Reis
essenden Ländern Ostasiens sitzen. (...)
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