Essen – zu gerne hätte ich es erfunden, aber da dies nicht mehr möglich ist, mache ich immerhin eine STRAPAZIN-Ausgabe zum Thema, natürlich unter tatkräftiger Mithilfe der weltweit besten Köchinnen und Köche. Von Rahel Nicole Eisenring stammt das «Frühstück » betitelte Entrée, bei dessen Anblick einem das Wasser im Mund zusammen und dem Brot das Quecksilber aus dem Laib fliesst. Die St. Galler-in Lika Nüssli bereitet nicht etwa eine Olma- Brat-wurst zu, sondern einen Sonntagsbraten, der saftiger nicht sein könnte. Orijit Sen, heute einer der interes-santesten Künstler Indiens, erzählt uns alles über Roti, die Hauptnahrung Nordindiens; denselben Begriff finden wir bei Dan Zettwoch wieder, hier aber mit einem Zirkumflex obendrauf und einer äusserst schwer verdaulichen Füllung – in eine Trappe wird ein Truthahn gesteckt, in diesen eine Gans, dann einen Fasan, ein Huhn, und so weiter, schliesslich werden die siebzehn Vögel am Stück gebraten und mit der im Innersten schmorenden Olive verzehrt . Gabi Kopp, selber ausgebildete Köchin, treibt sich in den Küchen Chicagos herum und interviewt dort ihre Berufskolleginnen und –kollegen; Zhang Xun ist mehr an seiner Tisch-genossin als am Essen interessiert, während sein Landsmann Duoxi das traditionelle Haltbarmachen von Senfkohl recherchiert.

Eva Bernhard lässt sich von der Poesie des Jagens und Fischens faszinieren; Kanako Furugori füttert ihren überaus faulen Freund mit japanischem Curry, und Arkadi bringt Ausserirdischen Kochkunst und Tischsitten nach Brillat-Savarin näher.
Julia Bruderer hingegen zeichnet uns ein breughel-sches Schlaraffenland, dessen Bewohner so über-sättigt sind, dass sie sich nach einer Diätkur in der Sahelzone sehnen. Eva Rust quält ihren Protago-nisten und uns genüsslich mit einem Teller voll Pangasius, dem Karton-ähnlichsten aller Fische.
Bei Chrigel Farner enthalten die Lebensmittel Über-raschungen: In seinen Würsten verbergen sich kleine Männchen, die nur darauf warten, von hungrigen Essern befreit zu werden

Der oben erwähnte französische Gastrosoph Jean Anthelme Brillat-Savarin sagte einst, ein Dessert ohne Käse sei wie eine schöne Dame mit nur einem Auge. In diesem Sinne folgt am Ende des Heftes der Nachtisch aus Afrika, Frank Odois Geschichte über einen Europäer, dessen Hunger erst durch spirituelle Nahrung gestillt wird.

Das Buffet ist eröffnet – guten Appetit!

Christoph Schuler

Illustration von Gabi Kopp aus «Porträts aus Chicagos Küchen»