EDITORIAL

 

Wasser ist
banal, nass und fad, farblos, dumm und billig.
Zwar bestehen wir zu einem nicht unerheblichen Teil
aus ebendieser Flüssigkeit und sind auch
unter Androhung des Todes gezwungen, täglich
einige Sigg-Flaschen davon in unser Inneres zu kippen, doch wenn es nicht ums Baden am Strand von Ko Chang oder ums Aufladen unserer Handy-Akkus mittels wasserkräftig gewonnener Elektrizität geht,
interessiert uns das charakterlose Plätscherzeug
einen feuchten Dreck.
Gerade feuchter Dreck kann aber
ausserordentlich profitabel und interessant sein –
Philip Schaufelbergers «Feuchtgebieterin» findet exakt dort das Rohmaterial für ihren Jungbrunnen.
Auch Lika Nüsslis Heiliger Geist spielt gern mit Dreck und Körpersäften – am liebsten spritzt der bleiche Lümmel im Weihwasserbecken ab, das bekanntlich ein ideales Tummelbecken für Keime und Bakterien ist.
Bei Anna Sommer möchte der Protagonist –
wir kennen ihn bereits vom Titelblatt dieser STRAPAZIN-Ausgabe – erst nichts lieber als Wasser zum Trinken, doch als er es endlich bekommt, will er sich unbedingt am Wein laben, der arme Tropf!
Tropfnass geniesst Talayas junge Frau das Leben;
wie sie sich angewöhnte, nie mehr
ohne saftigen Orgasmus aus dem Haus zu gehen,
verrät sie uns auf drei äusserst feuchten Seiten.

 

 

In Storyofs düsterer Geschichte fliesst Wasser
durch endlose Treppenhäuser und einsame Innenhöfe,
es steht in Becken und Kanälen, es langweilt sich zu Tode in der schönen neuen Welt, in der es
nur noch geduldet, aber nicht geschätzt wird.
Noch schlimmer ergeht es dem Wasser
nur noch bei Mazen Kerbaj,
dessen Schiffe das Wasser geradezu hassen;
sogar Amöben würden sie als Untergrund dieser mysteriösen Flüssigkeit vorziehen, von der sie nicht wissen, welche Monster sie beherbergt.
Unerschütterliches Vertrauen ins Meer herrscht hingegen in den Tableaux von M.S. Bastian und Isabelle L.,
deren Schiffchen, Haie und Kalmare sich in einem unzerstörbaren maritimen Kosmos vergnügen,
voller Optimismus, auch im Jenseits eine heile Welt
aus Wind und Wellen anzutreffen.
Was die pessimistisch gestimmte Dame
im Comic von Wangxx ausser einem qualvollen Tod
im Wasser findet, bleibt ihr Geheimnis,
genauso wie wir nie erfahren werden, ob Aidan Kochs subtile Interpretation von Botticellis Venus tatsächlich einer Pilgermuschel entspross.

Nun, so langweilig wie befürchtet ist Wasser beileibe nicht. Trotzdem freue ich mich schon jetzt über die STRAPAZIN-Ausgabe zum Thema «gebrannte Wässer» ...

Christoph Schuler

 
     

 

Illustration: M.S. Bastian und Isabelle L. 
«Octopus’s Garden» (Hommage an Di Rosa)