Das Magazin |
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> > - Tote Heringe > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > Jahr für Jahr überrascht
uns das israelische Kollektiv Actus Tragicus mit einem Album oder einem
Projekt, das sich jeweils klar von früheren Veröffentlichungen
unterscheidet, aber immer durch die gleiche inhaltliche, zeichnerische
und auch gestalterische Qualität begeistert. Nicht anders bei "Dead
Herring Comics", einem grossformatigen, 120 Seiten dicken und in
altertümlich warmen Farben gedruckten Band, für den auch Gäste
wie Art Spiegelman und die Deutschen Anke Feuchtenberger, Ulf K. und Henning
Wagenbreth Beiträge gezeichnet haben. Am meisten interessieren allerdings
die Geschichten von Actus Tragicus selber, der in Israel als Illustratorinnen
und Dozenten sehr bekannten Batia Kolton, Itzik Rennert, Rutu Modan, Yirmi
Pinkus und Mira Friedman. Es fällt auf, dass sie ihre frühere
Zurückhaltung dem Zeitgeschehen gegenüber abgelegt haben - einige
der stärksten Geschichten nehmen offen Bezug auf die politische Aktualität
im Nahen Osten. Bestechend ist etwa Mira Friedmans an verschwörerischen
und romantischen Verwicklungen reiche Story um einen als Selbstmord getarnten
Fenstersturz, oder Itzik Rennerts Geschichte um einen Korrektor, der sich
aus lauter Angst vor Selbstmordattentätern nicht mehr aus dem Haus
traut und sich eine Bosnierin aus dem Katalog bestellt - als er sie am
Flughafen abholt, wird er von einer Bombe verkrüppelt. Diese und
andere Geschichten erzählen Actus Tragicus mit beiläufigem,
aber umso schwärzerem Humor. > > > > > > > >
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> > - Bittersüsse Finanzkomödie mit
städtebaulichem Hintergrund > > |
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> > > > > > Die Quaianlagen am Zürichsee
zählen zu den wenigen wirklich kühnen städtebaulichen Leistungen
der Stadt Zürich. Von 1882 bis 1887 wurden unter der Leitung des
damaligen Stadtingenieurs Arnold Bürkli (1833 -1894) über 200'000
Quadratmeter Land aufgeschüttet und eine durchgehende Uferpromenade
mit Alleen, Wiesen und Parks eingerichtet. Diese ist bis heute dank der
gelungenen Inszenierung des Alpenblicks bei Einheimischen und Touristen
gleichermassen beliebt. An der Grundstruktur des Seeufers hat sich seither
nur wenig verändert. In den kommenden Jahren jedoch will die Stadt
Zürich die heute bestehende Stadtkante am See präzisieren und
Bürklis Quaianlagen subtil stärken, wie es im Jargon der Stadtplaner
heisst. Das wichtigste Projekt dieser Planungen im Seebereich ist ein
"Neues Kongresszentrum", das die Stadtbehörden bis 2010
gebaut haben wollen. > > > > Gleich im ersten Panel seines
dritten Comics "Tod eines Bankiers" nimmt der Zürcher Architekt
Matthias Gnehm (34) Stellung zu dieser städtebaulichen Diskussion.
Er stellt seine Vision eines Kongresszentrums am See dar und präsentiert
einen Vorschlag, wie der Bürkliplatz zu einem würdigen Auftakt
zur Bahnhofstrasse, Zürichs bekannter Shoppingmeile, umgebaut werden
könnte. Trotz dieses veritablen - inzwischen weiter verfeinerten
- Gegenentwurfs zur offiziellen Stadtplanung ist das Etikett "Architekturcomic"
beim "Tod eines Bankiers" aber wenig angebracht. Weder setzt
Gnehm Kenntnisse des Zürcher Städtebaus voraus, noch macht er
die Stadtplanung selbst zum Thema, wie dies etwa François Schuiten
und Benoît Peeters in ihrem Zyklus "Die geheimnisvollen Städte"
versuchten. So zeigen auch nur wenige Bilder das Kongresszentrum in der
Totalen, stattdessen fokussiert Gnehm zumeist auf Gesichter und stellt
die Schauplätze aus der Perspektive der lebenden und arbeitenden
Menschen vor. Auf diese Weise stellt Gnehm, wie er selber sagt, dar, wie
ein spezifisches Milieu - in diesem Fall die Finanzwelt - die baulichen
Hüllen der Architektur mit Leben füllt. > > > >
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> > - Erbärmlicher Superheld > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > "Gutsman" des Holländers
Erik Kriek ist eines der vergnüglichsten Super-Antihelden-Epen überhaupt:
Gutsman ist trotz engem schwarzen Trikot und Gesichtsmaske ein erbärmlicher
Verlierer, der von der selbstbewussten Tigra im aufreizenden Raubkatzenkostüm
aus der gemeinsamen Wohnung geschmissen wird. Während sich Tigra,
um Gutsman zu vergessen, unter anderem mit dem Zeichner Erik Kriek vergnügt
(und damit die Eifersucht ihrer hässlichen Schwester Leona schürt),
verkommt Gutsman zum Penner, ehe er ebenfalls bei Erik Kriek Trost und
Aufmunterung sucht. Ein Comic, der dermassen charmant, humorvoll und unprätentiös
mit den Superhelden spielt und deren Fiktionen mit einem spiessigen Normalo-Alltag
konfrontiert, ist selten, und dass Kriek seine Geschichte ohne Worte erzählt,
dafür aber die Sprechblasen mit witzigen Piktogrammen füllt,
macht aus "Gutsman" ein hinreissendes Lesevergnügen. >
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> > - Wale, Kraken und Menschen > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > Unzählige Schriftsteller,
Regisseure, Maler und Comic-Zeichner haben sich in den letzten paar tausend
Jahren vom Pottwal inspirieren lassen, und in diese Tradition reiht sich
nun auch der Berliner Zeichner Jens Harder mit "Leviathan" ein.
Natürlich ist seit "Moby Dick" zu diesem Thema alles gesagt,
und Jens Harder musste sich sozusagen damit begnügen, die Geschichten,
Fakten und Legenden um das grösste aller Säugetiere zu interpretieren
und neu zu arrangieren. Daraus hat er einen bis auf locker eingestreute
Bibel- und Melville-Zitate wortlosen, über 140 Seiten langen Strom
starker Bilder geschaffen, der in stimmigen Unterwasserimpressionen und
stürmischen Schlachten die Grösse, Kraft und Würde des
Ungeheuers beschwört - aber auch seinen zermürbenden Krieg gegen
Widersacher wie Kraken und Menschen. Ein eindrücklicher Bilderreigen,
der dem Monogatari-Mitglied Jens Harder die Tür zum grössten
europäischen Comic-Markt öffnete: "Leviathan" erschien
bei Editions de l'an 2, dem Verlag des französischen Comic-Experten
Thierry Groensteen, wird aber, weil's ein stummer Comic ist, weltweit
vertrieben. > > > > > > > > > > > >
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> > - Vallat > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > Rund um die Schweiz herrscht
Krieg. Die Stadt Zürich wird derweil von Aufrührern, Verschwörern
und Spionen heimgesucht. In dieser Situation soll der Lausanner Polizeibeamte
Charles Vallat gegen eine Gruppe internationaler Anarchisten ermitteln.
Vallat, der sich eigentlich bloss aus Liebe zu einer Zürcherin hierher
versetzen liess, muss inkognito arbeiten und gerät bald in einen
Strudel verwirrender Ereignisse, die ihm die Bekanntschaft mit Dadaisten,
Kriegsdienstverweigerern, Prostituierten und triebhaften Stadtvätern
einbringen. > > > > > > > > > > > >
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> > Das Szenario zu "Vallat", das auf einer Geschichte
des Kunstmalers Bruno Moser beruht, stammt von Comic-Zeichner Reto Gloor,
bekannt geworden mit den Alben "Matter" und "Katharina
von Dornach". Der Zeichner Massimo Milano wiederum hat die Erzählung
in grossflächige Schwarzweiss-Bilder umgesetzt. Mal kollagiert er
Stimmungen und Handlungen, mal zeichnet er eine historische Ansicht der
Limmatstadt, mal erscheint Dadaistisches oder Expressionistisches, das
aus Schnitzlers Traumnovelle stammen könnte. Obwohl dies sein erstes
grösseres Werk ist, arbeitet sich Milano mit beeindruckender Stilsicherheit
durch die 270 Seiten. Er bleibt immer der Krimi-Handlung verpflichtet,
lässt aber gleichzeitig eine Art Sittengemälde des Zürich
von 1916 entstehen. "Vallat" ist damit zu einem Comic geworden,
der stilistische Vielfalt mit historischer Genauigkeit verbindet und ausserdem
zu den temporeichsten und spannendsten Comicerzählungen der letzten
Jahre gehört. > > > > > > > > > > >
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> > - Der Comic-Zeichner als Künstler > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > Der Bildband "Menschenbilder.
Eine unbekannte Welt" untersucht Lyonel Feiningers Zeichnungen und
Bilder, in denen nicht Landschaftsimpressionen, sondern Menschen im Mittelpunkt
stehen. Dabei wird der Einfluss deutlich, den seine Arbeit als Cartoonist
und Comic-Pionier auf sein späteres Werk hatte. > > > >
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> > - Mano, Black, Plaque, Black > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > Angefangen hat es 1996 mit
"Mano 1, disegni, scritti, fumetti" (Hand 1, Zeichnungen, Geschriebenes,
Comics). Gegründet von Giovanna Anceschi und Stefano Ricci, war "Mano"
in Form und Inhalt neu. Formal sah es aus wie ein Roman (20cm breit, 24cm
hoch, zwischen 100 und 270 Seiten dick), inhaltlich fanden Autorinnen
und Autoren wie Heiner Müller, Lorenzo Mattotti, Chris Marker oder
Louise Bourgeois Platz. Comics, umrahmt von den schönen Künsten,
sozusagen. Anceschi und Ricci waren, wie sie sagen, tatsächlich von
STRAPAZIN zu "Mano" inspiriert worden, doch ihr ehrgeiziges Konzept
ging weit über dasjenige des Schweizer Comicmagazins hinaus. "Mano"
wollte zweierlei sein, Theorie und Praxis, zusammengefasst in einem anatomischen
Konzept, in der die Hand des Künstlers als ausübendes, kreatives
Organ an allererster Stelle steht. Es erschienen sieben Ausgaben. >
> > > > > > Aus dem "Mano"-Umfeld entstand dann
5 Jahre später Coconino Press (coconinopress.com). Unter der künstlerischen
Leitung von Igort gab dieser Verlag innert 3 Jahren mehr als 80 Bücher
von Autoren wie Baru, Tardi, Taniguchi, Tatsumi, Mazzucchelli, Tomine,
Clowes und anderen heraus. Daneben, sozusagen als "Mano"-Nachfolger,
publizierte Coconino Press mit "Black" eine neue, dem Comic näher
stehende Anthologie. Bis heute sind sechs Ausgaben erschienen. Igort,
ein exzellenter Kenner der internationalen Comicszene, hat als Autor seit
1978 für sämtliche wichtigen französischen und italienischen
Magazine sowie später noch zehn Jahre lang ausschliesslich für
japanische Comicverlage gearbeitet. Er geniesst als Autor hohe Anerkennung,
gerade auch bei seinen Berufskollegen. Heute wohnt er in Paris. > >
> > > > > > > > > > Von Anfang an hat Igort
als Verleger der Coconino Press auf eine internationale Zusammenarbeit
Wert gelegt. Er versuchte, durch Ko-Editionen in anderen Sprachen die
Auflagen zu erhöhen und gleichzeitig Kosten zu sparen. So war es
unter anderem möglich, dass auf Deutsch im Avant-Verlag (www.avant-verlag.de)
sein Album "5 ist die perfekte Zahl" erscheinen konnte. Johann Ulrich,
Gründer und Besitzer des Avant-Verlages, fungiert zusammen mit Kai
Pfeiffer von Monogatari auch als Herausgeber von "Plaque", des deutschen
Pendants zu "Black". In der ersten, bereits über ein Jahr alten
Ausgabe wird die italienische Comicszene in Bild und Wort vorgestellt,
daneben enthält sie ein Mattotti-Interview von STRAPAZIN-Autor Christian
Gasser, ebenso Interviews mit Ben Katchor (von Ole Frahm), Alan Moore
(von Paul Gravett) und Atak (von Johann Ulrich). Jeder interviewte Autor
ist auch mit einem Comic vertreten. Mit über 300 Seiten ist "Plaque"
ein würdiges Pendant zu seinen italienischen Vorbildern. Zum Comicsalon
in Erlangen, der im Juni stattfindet, soll nun "Plaque 02" mit Comics
von David B., Joann Sfar, Alberto Breccia /Carlos Trillo, Nicolas Mahler
und Igort erscheinen. Anke Feuchtenberger und Vincent Fortemps werden
zusätzlich in Interviews vorgestellt. > > > > > >
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> > - Herbstfall > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > Jason Lutes arbeitet für
gewöhnlich alleine, hat sich aber für "Herbstfall",
einem Album, das in den USA bereits 2001 erschien, mit Ed Brubaker zusammengetan,
der vor allem aus dem Superhelden- und Krimi-Kontext bekannt ist. Brubaker
nähert sich thematisch dem stets an individueller Psychologisierung
der Personen interessierten Lutes an; "Herbstfall" ist ein Psychothriller
um Kirk, einen jungen, desorientierten Slacker, der in einen zehn Jahre
zurückliegenden Mordfall verwickelt wird. Brubaker stellt auf spannende
Art einen stimmungsvollen Kontrast zwischen den verwirrenden Ereignissen
im Mordfall und dem etwas orientierungslosen Kirk her. Dieser wurde gerade
von seiner Freundin verlassen, arbeitet angeödet in einer Tankstelle
und muss sich mit seinem langweiligen, aber neugierigen WG-Bewohner herumschlagen.
Im klassischen Thriller-Modus rutscht der unbescholtene Kirk aus seinem
ziellosen Leben in die Welt des Verbrechens. > > > > >
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> > - Saratz > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > Der Kellner Gieri Caviezel
würde den Hotelgästen gerne von seinem Hobby, dem Rhönrad-Fahren
im FKK-Club, erzählen, während François Levallois immer
nach dem Betreten der Hotellobby einige Minuten lang die Luft schnuppert,
um dann präzise die Zutaten des Mittagessens aufzuzählen. Der
Manager der Artistin Jelena Zograf hingegen wundert sich, wie diese es
schafft, sich kurz nach dem Essen einen Säbel in den Hals zu stecken.
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> > - Wiedersehen mit Bosnien> > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > Natürlich bestand ein
gewisses Risiko, dass Joe Saccos neues Buch "The Fixer: A Story from
Sarajevo" im Gefolge seines preisgekrönten und vielgelobten
Albums "Safe Area Gorazde" (auf Englisch 2000 bei Fantagraphics
Books erschienen, auf Deutsch leider nicht erhältlich) als eine Art
Anhängsel betrachtet würde, als Materialsammlung für "Gorazde".
Doch nichts wäre weiter von der Wahrheit entfernt; denn auch wenn
"The Fixer" noch nicht die Aufmerksamkeit des vorhergehenden
Werkes erreicht hat, könnte es - längerfristig gesehen - erfolgreicher
werden. > > > > > > > > > > > > >
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> > - Tim Kongo > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > |
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> > > > > > Der langjährige STRAPAZIN-Comic-Kritiker
Tim Kongo schreibt unter dem Pseudonym Tom Combo Bücher und anderes.
Soeben erschien "Der Spielraum", ein sphärischer Thriller,
um Wrestling, Drogen, Jazz und Gesichtsoperationen in New Mexico. >
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